Die Geislinger Schuldiktate von Christian Friedrich Daniel Schubart sind Thema eines Vortrags, den der Tübinger Germanist Dr. Stefan Knödler am 6. Oktober 2022 in Geislingen hält. Dazu laden die Schubart-Gesellschaft und die Stadt Geislingen um 19 Uhr in die Galerie im Alten Bau (Moltkestraße 11, 73312 Geislingen an der Steige) ein.
Zu den bedeutenden Stationen des Lebens des schwäbischen Dichters, Komponisten und Publizisten Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791) zählt zweifelsohne auch das Städtchen Geislingen, in dem er sechs Jahre vom Herbst 1763 bis zum Sommer 1769 wirkte, heiratete und eine Familie gründete. Zwar war Schubart eher widerwillig als Adjunkt (Hilfslehrer) für den kränkelnden Präzeptor Wilhelm Georg Röbelen nach Geislingen gezogen, doch sind dort seine Anfänge als Literat und Journalist zu verorten.
Bei den sogenannten „Geislinger Schuldiktaten“ handelt es sich um beißend und provokant formulierte Musterbriefe, die die Kinder in die Kunst des Briefstellens unterweisen sollten, Schubart zugleich aber auch als Ventil dienten, um seinen Frust über die von ihm empfundene geistige Enge in Geislingen auszudrücken. Darüber hinaus sind sie wichtige zeitgenössische Quellen, die Auskunft über den damaligen Alltag in der kleinen ulmischen Handwerkerstadt geben. Rund 230 dieser Diktate sind heute erhalten, davon ein Fünftel bisher noch ungedruckt.
Der Tübinger Germanist Dr. Stefan Knödler wird an diesem Abend Einblicke in sein langjähriges Projekt einer ersten kommentierten Gesamtausgabe dieser Schuldiktate liefern und von seinen Forschungsergebnissen sowie vom Alltag des beschaulichen Handwerkerstädtchens aus Sicht Schubarts berichten.
Der Eintritt kostet 8 EUR. Mitglieder der Schubart-Gesellschaft e.V., des Kunst- und Geschichtsvereins Geislingen e.V. sowie des Geschichtsvereins Aalen e.V. erhalten ermäßigten Eintritt (5 EUR). Karten für den Vortragsabend können an der Abendkasse oder auf Voranmeldung unter infopunkt@geislingen.de oder unter der Telefonnummer: 07331/24-279 erworben werden.
Im Februar 2019 veranstaltete die Schubart-Gesellschaft in Aalen eine Tagung über Schubart und die Französische Revolution. Nun ist der entsprechende Tagungsband als erster Band der Schriften der Schubart-Gesellschaft erschienen. Der Rezensent Uwe Hentschel schreibt über den Band:
„Insgesamt ist dieser erste Band der Schriften der Schubart-Gesellschaft ein verheißungsvoller Beginn, der eine kontinuierliche Weiterbeschäftigung mit dem schwäbischen Aufklärer verheißt. Wenn auf diesem wissenschaftlichen Niveau weiter gearbeitet wird und kontinuierlich neue Bände erscheinen, gewinnt die Aufklärungsforschung immens. Wünschen wir dem Vorstand und den Mitgliedern des neugegründeten Vereins finanzielle Mittel, Kraft und Ausdauer; denn es bedarf derer, um Projekte von der hier vorgestellten Qualität realisieren zu können.“
Die Geburt des modernen Journalismus: Christian Friedrich Daniel Schubart und Wilhelm Ludwig Wekhrlin
Am 31. März und 1. April 2022 veranstaltete die Schubart-Gesellschaft gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Landes- und Ortsgeschichte im Verband der württembergischen Geschichts- und Altertumsvereine und dem Institut für Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart ihre zweite wissenschaftliche Tagung.
Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791) und Wilhelm Ludwig Wekhrlin (1739–1792) waren württembergische Journalisten, die im Zeitalter der Aufklärung in ihren eigenen Zeitungen Kritik an den politischen Verhältnissen übten. In einer Epoche, in der man in Zeitungen und Zeitschriften vor allem Staatstragendes und Unterhaltendes veröffentlichte, waren sie Wegbereiter eines kritischen, meinungsbildenden Journalismus und Vorkämpfer für Meinungs- und Pressefreiheit. Sie wagten es, in der Spätphase des Ancien Régime über die Verfehlungen der weltlichen und geistlichen Obrigkeiten zu schreiben, über deren Machtmissbrauch und die Ausbeutung und Entrechtung der Untertanen.
Für ihre journalistische Courage nahmen beide Männer viel in Kauf: Sie saßen lange im Gefängnis – Schubart zehn, Wekhrlin fünf Jahre – , ertrugen Berufsverbote, Ausweisungen und Folter. Ihre Lebensgeschichten sind tragisch, voller Brüche und Neuansätze. „Meinungen geäußert zu haben, zu denen sich die Welt nach dreißig Jahren bekenne“ – das hoffte Wekhrlin von sich.
Abendvortrag Deniz Yüzel mit Geschichtsverein Aalen
Die Tagung beleuchtete ausgewählte Aspekte der Biografien Schubarts und Wekhrlins und verortete ihr journalistisches Werk im zeithistorischen Kontext. Höhepunkt der Tagung war der Abendvortrag von Deniz Yüzel. Seine Schilderungen zeigten anschaulich, wie ähnlich es ihm und Schubart einstmals ergangen war.
Vor 15 Monaten zum Vortrag bei der Schubart-Gesellschaft in Stuttgart eingeladen, gestern endlich gehalten: über Journalismus, Repräsentation & Demokratie. Mit Daniel Schubart – Journalist, Komponist, Knacki (10 Jahre Kerkerhaft), schwäbischer Freiheitsheld, guter Mann. pic.twitter.com/NMIGhhOryK
Auch der Geschichtsverein Aalen e.V. war vor Ort. Gemeinsam besuchte man auch den Hoppenlaufriedhof, auf dem Schubart einst beerdigt wurde und auf dem in den 1950er Jahren die Stadt Stuttgart ein Denkmal für ihn gesetzt hatte.
Auch die Schwäbische Post berichtete über den Vortrag von Yüzel, 3. April 2022.
Der deutsch-türkische Journalist und Publizist Deniz Yücel, Vorsitzender des PEN-Zentrums Deutschland, spricht über aktuelle Fragen im Verhältnis von journalistischer Arbeit, Pressefreiheit und Demokratie.
Deniz Yücel spricht um 19.30 Uhr im Hospitalhof Stuttgart. Anmeldungen über www.hospitalhof.de, Tel: 0711/ 2068150. Eintritt: 5 Euro.
Der Journalist und Schriftsteller Deniz Yücel hat seit Beginn der Erdogan-Ära unabhängig und kritisch über die politischen Veränderungen in der Türkei berichtet. Die türkische Regierung nahm ihn daraufhin 2017 für ein Jahr in Untersuchungshaft, was in Deutschland eine breite Solidaritätsbewegung auslöste. 2020 verurteilte das türkische Verfassungsgericht den Journalisten in Abwesenheit wegen „Terrorpropaganda“ zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.
Yücel, der seit 2018 wieder in Deutschland lebt, hat seine Arbeit immer als politisches Handeln begriffen und die damit verbundenen persönlichen Risiken mit großem Mut in Kauf genommen. Er hat auf diese Weise die öffentliche Aufmerksamkeit für die Situation in der Türkei geschärft und die türkische Regierung auf höchster Ebene herausgefordert. Erdogan (den Yücel einmal als „lupenreinen Despoten“ bezeichnet hatte) inszeniert sich als Yücels Ankläger; weitere Klagen gegen ihn sind in der Türkei anhängig.
Anfang des Jahres hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei wegen der Verletzung der Menschenrechte Yücels zu einer Entschädigung von 13.300 Euro verurteilt. Für Yücel ist dieses Urteil gerade erst der Anfang. Im ZDF-Interview vom 25.1.22 sagte er: „Ich halte es für geboten, dass der Europarat die Mitgliedschaft der Türkei suspendiert.“
Der Abend mit Deniz Yücel ist eine Kooperationsveranstaltung der Schubart-Gesellschaft, des Arbeitskreises für Landes- und Ortsgeschichte im Verband der württembergischen Geschichts- und Altertumsvereine, des Instituts für Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart und des Evangelischen Bildungszentrums Hospitalhof Stuttgart.
Christian Friedrich Daniel Schubart „Lasst uns lachend Eselbohren!“
Dass hartnäckige Journalisten und kecke Dichter mit Risiko leben, ist seit vielen Jahren bekannt.
Der Literat und Musiker, der für seine unbotmäßigen Schriften mit zehn Jahren Kerkerhaft bezahlt: das war Christian Friedrich Daniel Schubart, Held der Aufklärung im feudalen Deutschland des 18. Jahrhunderts. In „Lasst uns lachend Esel bohren!“ finden sich ausgewählte Fundstücke aus seiner Zeitung DEUTSCHE CHRONIK und ein Gedicht. In gemeinsamer Arbeit haben Ena Lindenbaur und Eckhard Froeschlin dazu außergewöhnliche Radierungen geschaffen, die den Texten kongenial gegenüberstehen. https://youtu.be/Bx5zfGkkx-w
Bestellung des Künstlerbuches
Christian Friedrich Daniel Schubart „Lasst uns lachend Eselbohren!“
60 Seiten, 38×28,5 cm. Auflage 30 Exemplare, 2020.
Als Jahresgabe 2022 überreichte die Schubart-Gesellschaft für ihre Mitglieder mit einem von Professorin Barbara Potthast (Stuttgart) und Professor Dirk Niefanger (Erlangen) editierten und kundig erläuterten Schuldiktat, welches Schubart in seiner Geislinger Zeit verfasste. https://www.schubart-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2022/12/Jahresgabe_FLYERALARM.pdf
Jahresgabe 2021
Als Jahresgabe 2021 wurde das Buch Christian Friedrich Daniel Schubart und die Französische Revolution von Professorin Barbara Potthast (Stuttgart) herausgegeben.
Jahresgabe 2020
Als Jahresgabe 2020 hat die Schubart-Gesellschaft für ihre Mitglieder einen Brief Schubarts an seine Eltern ausgewählt. Diesen schrieb er am 06. November 1763, kurz nach Antritt seiner Stelle als Hilfslehrer und Organist in Geislingen. Die Germanisten, Prof. Barbara Potthast (Stuttgart) und Prof. Dirk Niefanger (Erlangen) haben den Brief ediert und kundig erläutert. https://www.schubart-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2021/01/201120_Jahresgabe_SG_Druckversion.pdf
Ab sofort präsentiert das Stadtarchiv Aalen die Reihe „Denk mal Schubart!“ für unseren Podcast. Stadtarchivar Dr. Georg Wendt nimmt Sie jeden Mittwoch mit auf eine verrückte Reise in die Vergangenheit, bei der es vordergründig um das Schubartdenkmal geht. Mindestens genauso interessant sind aber die Geschichten der Menschen rund herum. Sei es ein kamerunischer Prinz, eine diebische Künstlerin oder plündernde GIs.
Die erste Folge ist bereits vorab online und kann hier gehört werden. Ab 9. September geht es dann im Wochentakt jeden Mittwoch weiter. Alle Folgen auf Anchor.fm, auf Spotify oder vielen anderen Podcast-Catchern zum Download.
Die jüngste Veröffentlichung des Literaturarchivs Marbach der
Reihe „Spuren“ befasst sich mit Schubart in Geislingen. Das Heft „Spuren 119“
der bibliophilen Reihe kann für 4,50 Euro in Marbach bestellt werden. Ein link
dorthin führt auch über die Homepage der Schubart-Gesellschaft unter www.schubart-gesellschaft.de
Im Herbst 1765
tritt der 24-jährige Kandidat der Theologie Christian Friedrich Daniel Schubart
das Amt des Schulmeisters und Musikdirektors in Geislingen am Rande der
schwäbischen Alb an. Einen solchen Lehrer hatten die braven Geislinger Bürger
noch nicht erlebt: draufgängerisch, sprunghaft, ein temperamentvoller
Redenschwinger, hochbegabter Musiker, Gelegenheitsdichter und verbummeltes
Genie ohne schulische Erfahrung. In dem Milieu kleiner Handwerker und Beamter
litt der stürmische Junglehrer unter geistiger Vereinsamung. Was ihn
beschäftigte: der harte Schulalltag und im Kontrast dazu die überwältigenden
Lektüreerfahrungen, die Hoffnungen auf eine Laufbahn als Literat und Musiker –
das alles floss in eine lebhafte Korrespondenz mit Vertrauten und
Repräsentanten des literarischen Lebens in Württemberg, von denen er sich
Anerkennung und Rat versprach. Schon nach einem Jahr klagte er einem Brieffreund:
„Hier in Geißlingen passirt nichts. Eine ewige langweilige Monotonie liegt auf
uns und macht, daß ein Narr den ändern angähnt.“ Doch die notorischen
Klagen werden immer wieder abgelöst von Höhenflügen ins Reich der Bücher. Er
habe, schreibt er in seinen Erinnerungen, nie fleißiger studiert als in
Geislingen. Erste poetische Versuche entstanden wie von selbst, auch erste
Veröffentlichungen, die jedoch bei der Kritik eher Spott als Lob ernteten.
Frisch und unmittelbar spricht aber der volkstümliche Rhetoriker aus seinen
munteren Schuldiktaten – gleichsam erste Proben des künftigen Publizisten.
Die
Schubart-Gesellschaft veröffentlicht Ausschnitte aus den Schuldiktaten in einem Podcast unter www.schubart-gesellschaft.de
Das 16seitige,
reich bebilderte Spurenheft von Dietrich Leube erhellt die Lehr- und
Lehrerjahre des streitbaren Dichters und Publizisten, dessen spätere Haft auf
dem Hohenasperg als Zeichen feudalistischer Willkür weithin wahrgenommen wurde
und dessen Freiheitswille Dichter wie Schiller und Hölderlin inspirierte.