Der Musikvirtuose Schubart

zum Anhören: Der Musikvirtuose Schubart

Schubart war nicht nur wortgewaltig, sondern auch im Umgang mit Noten sehr begabt und bereits in jungen Jahren als Musiker aktiv. Bei seinem Amtsantritt in Geislingen als Knabenschulmeister hatte er deshalb darum gebeten, zusätzlich das Musikdirektorium zu übernehmen und eine halbe Stelle als Organist in der Stadtkirche zu erhalten. Dieser Bitte wurde stattgegeben. Er war außerdem als Musiklehrer der Schuljugend tätig. Über den schlechten musikalischen Geschmack der Geislinger beschwerte er sich allerdings oft in Briefen oder auf sarkastische Weise in seinen Schuldiktaten.
 
Im Jahr 1769 erhielt er schließlich einen Ruf in die herzogliche Residenzstadt Ludwigsburg als Organist und Musikdirektor der Stadtkirche. Um das damit verbundene bescheidene Gehalt auszugleichen, gab er Privatunterricht. Schubarts Ruhm als Klaviervirtuose und musikalisches Genie wuchs und ließ Musikkenner aus ganz Europa nach Ludwigsburg anreisen, um ihm zuzuhören. Sehr zum Verdruss der in der Stadtkirche amtierenden Geistlichen besuchten viele den Gottesdienst sogar nur um Schubart an der Orgel zu erleben. Johann Wolfgang von Goethe bezeichnete ihn sogar als einen der besten Klavier- und Orgelspieler seiner Zeit.

zum Anhören: Christian Friedrich Daniel Schubarts Geislinger Schuldiktat

25. Nov. 1768
 
Meine Söhne!
 
Die Zeit ist wieder da, daß ihr euch auf das Weihnachtgesang vorbereiten sollt. Zwar
ist das Singen etwas Vortreffliches; aber wenn man euch hört, so möchte man die
Ohren verstopfen. Eure Stimmen sind größtentheils rauh, verdorben und unharmo-
nisch. Einige schreien, als wenn ihnen ein Messer im Hals stäcke; einige wissen die
Melodie nicht und singen also, was ihnen in Mund kommt; einige steigen oder fallen
mit ihrer Stimme und einige thun gar den Mund nicht auf. Ihr könnt euch also
vorstellen, was euer Lehrer leiden muß, der die Musik kunstmäßig gelernt hat, wann er
euer Zeter- und Mordiogeschrei anhören soll. Wirklich will ich mir wie die Kanoniere
in einer Schlacht die Ohren mit Baumwolle verstopfen, damit ich nicht taub werde.
Indessen singt, so gut ihr könnt. Leute, die ein so musikalisches Gehör haben, daß sie
einen Esel lieber schreien hören als eine Nachtigall, werden es so genau nicht nehmen.
 
Drum singt, als wärt ihr toll,
Brüllt mir die Ohren voll,
Singt Lieder, frisch wie Tänze,
Und schnattert wie die Gänse.
Singt, wie die Nachtigall
In eines Müllers Stall,
Wie Dohlen und wie Häzen
Vom Oedenthurme schwätzen,
Wie in der Kirchweihzeit
Ein voller Bauer schreit:
So lasset nun vor allen
Auch euer Lied erschallen.
 
Indessen lebet wohl und schmieret heute Mittag eure Hälse mit ein paar Dutzend
Leberknöpflein, damit ihr rechte Triller schlagen könnt. Ich verbleibe mit kranken
Ohren


Euer
getreuer Lehrer
Schubart.
  


in: Günther Currle / Hartmut Gruber, Christian Friedrich Daniel Schubarts Geislinger Schuldiktate, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Geislingen, Band 9, 2. Auflage, Geislingen an der Steige 1993, S. 64.