Der Rebell Schubart
Als Schubart als Lehrer nach Geislingen kam, strebte er nach wie vor das Pfarramt an. Und so durfte er regelmäßig in Geislingen und den umliegenden Gemeinden predigen. Die Kanzel nutzte er allerdings – sehr zum Unmut der örtlichen Geistlichkeit – häufig, um seine obrigkeitskritische Meinung kund zu tun. Schubarts Abneigung gegen den Ortspfarrer äußerte er auch in folgendem Spruch, den er in der Schule einsetzte: „Du Hauptmann von Kapernaum, Schlag diesen Pfaffen lahm und krumm, Und schlägst du ihm die Rippen ein, So sollst du Oberstleutnant sein.“
Hinzu kam, dass Schubart seine Abende und Nächte rauchend und trinkend in den Geislinger Wirtshäusern verbrachte. Sein ausschweifender Lebensstil sorgte in Geislingen für viel Gesprächsstoff: Manche beobachteten das Treiben des „Exoten“ Schubart mit Belustigung, bei vielen löste sein Hinwegsetzen über Konventionen aber eher Empörung aus. Auch sein Schwiegervater, Oberzoller Bühler, beschwerte sich mehrfach über seinen Schwiegersohn bei den kirchlichen und schulischen Aufsichtsbehörden der Reichsstadt Ulm.
Schubarts provokanter Lebensstil sowie seine Konflikte mit der geistlichen Obrigkeit setzten sich auch in Ludwigsburg weiter fort und führten 1773 zu seiner Entlassung und Verbannung aus Württemberg. Mittellos durchstreifte er zunächst auf der Suche nach einem Auskommen die südwestdeutschen Städte, etwa Mannheim und München. 1774 ließ er sich dann vorläufig in Augsburg nieder, von wo aus er seine journalistische Tätigkeit aufnahm.
Folgendes Gedicht diktierte Schubart seinen Schülern am Jahresende 1768. Damit zog er sich zahlreiche Anfeindungen zu und wurde im Auftrag des Ulmer Pfarrkirchenbaupflegeamts von den Geislinger Geistlichen verhört. Aufgrund dieses Gedichts wurde ihm der Versuch angelastet, die Jugend zu verderben. Ein Amtsenthebungsverfahren drohte.
Neujahrswunsch
Waß wünsch ich dir H. Bruder
Heut ist daß Neue Jahr,
Ich bin so faul wie Luder
Gedanken sind so rahr,
Heut sind fast alle Menschen,
Von Komplimenten starr,
Waß soll ich denn nicht wünschen
Heut wünscht ein jeder Narr
Drum wünsch ich daß du Glüke
in diesem Jahr erlangst.
Daß du an keinem Strike
Diß Jahr am Galgen prangst
Früß nicht wie Schaaf u. Rinder
Graß Stroh u. dürres Hay
Es hau dir auch der Schünder
Den Schädel nicht enzwey,
kein Bloßer Hinder fahre,
dir in daß angesicht,
es hol in diesem Jahre,
dich auch der Teufel nicht.
Henk dich an keinen Nagel,
Stürz dich in keinen Fluß,
dich Tödte nicht der Hagel
u. kein Kanonenschuß.
Nie soll die Pest dich Plagen
Der Doner soll dich nicht
In diesem Jahr erschlagen,
dich treffe kein Gericht,
Die Razen und die Mäuse,
die Paken dich nicht an,
es werden Flöh u. Läuse,
Von dir in Bann gethan.
Ich wünsche dir jezunder,
ein ganz besonder Glük,
fall keine Stieg hinunder
u. Breche daß Genik,
kein Esel soll dich Dödten,
kein Gift zertretten dich
die Grätz samt allen Nöthen
des Leibs entfernen sich,
Nicht fressen dich die Läuse
u. auch die Schweine nicht
u. keine Schwalme Scheisse
dir in das angesicht,
Ich wollte länger Spassen
Jedoch ich mach es kurz,
ich schick dir einen Hasen
in einem Weiber Schurz,
Ich wünsch dir soviel Glüke
alß Stäub(l)ein in dem Wind
alß auf der Langen Brücke
zu Prag Gäißbohnen sind
so viel Glük alß man Hare
auf allen Eseln zählt,
damit in diesem Jahre
an Glük dir Niemahls fehlt.
u. o ich faules Luder,
vergesse mich schier gar,
jedoch mein lieber Bruder
Prosit daß Neue Jahr.
Gemacht von
Herrn Schubart
Prezeptor in
Geißlingen.
in: Bernd Breitenbruch, Christian Friedrich Daniel Schubart bis zu seiner Gefangensetzung 1777. Ausstellung aus Anlaß seines 250 Geburtstags, Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Ulm, Band 9, Ulm 1989, S. 75.