Schubarts sozialkritischer Blick
Am 31. März 1774 erschien die erste Nummer von Schubarts Teutscher Chronik (ab 1777 Deutsche Chronik) in Augsburg. Das Achtseitenblatt wurde von da an zweimal wöchentlich veröffentlicht und wurde praktisch von ihm allein verfasst. Meist diktierte er die jeweils nächste Ausgabe im Wirtshaus. Schubart berichtete darin vor allem aus den deutschen Ländern und über die europäischen Ereignisse und weitete dann im Zuge des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs (ab 1775) sein Themenfeld auf England und Nordamerika aus. Mit dem Erfolg seiner Deutschen Chronik, in der er seine Kritik gegenüber der Herrschaft Carl Eugens nicht verhehlte, machte er sich den Herzog von Württemberg zum persönlichen Feind.
Schubarts unkonventionelle und offene – häufig auch provokante – Art machte ihn jedoch auch zur Stimme der Unterdrückten, weshalb er sich gerade bei den verarmten Schichten großer Beliebtheit erfreute. Gedichte wie Die Fürstengruft (1783) und die Kaplieder (1787), in denen er die Willkür der Herrschenden und die Ausbeutung durch die Obrigkeit anprangerte, erregten seinerzeit viel Aufsehen.
Der Tod eines Armen
Da liegt der Bettler auf dem Stroh,
Mit abgezehrten Lenden
Bald wird er, wie ein Engel froh,
Sein armes Leben enden.
Komm, kühle Erde, stilles Grab,
Bedecke seine Glieder;
Er leget seinen Bettelstab
Mit Freuden vor euch nieder.
Nicht Ehre, Häuser, Glück und Geld
Sind seiner Wünsche Ketten.
Er eilet nackend aus der Welt,
Als wie er sie betreten.
Er stirbe mit Freuden, als ein Christ,
Wenn Reiche zittern müssen;
Sein ungeraubter Reichtum ist
Ein – freudiges Gewissen.
Im schlechten Sarge lieget er,
Sein Haupt auf harten Spänen;
Kein Leichenpomp starrt um ihn her
Und weint erkaufte Tränen.
Unrühmlich wird er in dem Sand
In kurzer Zeit verwesen.
Die Welt, die ihn schon hier verkannt,
Vergißt – daß er gewesen.
Nur Gott an seinem Weltgericht
Wird ihn bei Namen nennen;
Und seine stumme Tugend nicht,
Als wie der Mensch, verkennen.
Der, den die Fetten in dem Land
Verächtlich von sich stießen,
wird einstens an der rechten Hand
Den Stolz beschämen müssen.
Drum, Arme, trocknet das Gesicht:
Gott wird euch schon erlösen.
Dann fragt euch euer Richter nicht:
Ob ihr auch reich gewesen?
Seufzt nur umsonst am Bettelstab,
Erbarmen zu erwecken;
Bald wird euch mitleidsvoll das Grab
Mit warmen Flügeln decken.
Ist es dein ewiger Entschluß,
Herr, soll ich Mangel leiden;
So bin ich fromm, wie Lazarus,
Und wart auf deine Freuden.
Dann trägt dein Engel mich, wie ihn,
Aus kummervollen Stunden;
Und durch die Himmel sing ich hin:
Ich habe überwunden.
in: Schubarts Werke in einem Band, hg. v. d. Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar, 4. Aufl., Berlin/Weimar 1988, S. 280-281.